Versuchen Sie doch mal, die Bewerber wirklich kennenzulernen. Es gab kaum Möglichkeiten, sich mit den Beratern in lockerer Runde auszutauschen. In der Mittagspause zeigten diese auch kaum Interesse an den Bewerbern.
Bewerbung als PDF per E-Mail. Eingangsbestätigung ca. zwei Wochen später. Einladung zum Assessment-Center (AC) schon drei Tage später. Das AC fand allerdings dann erst zwei Monate später statt. Etwas merkwürdig war, dass man drei Mal gefragt wurde, ob man tatsächlich teilnimmt. Teilnahmebestätigung kam per Post. Dabei auch das Formular für die Erstattung der Anfahrtskosten und ein Personalbogen, der ausgefüllt mitgebracht werden sollte. Wichtig anzumerken ist, dass der Bewerbungsprozess nicht mit dem AC endet. Vor einem verbindlichen Angebot würden noch einige Wochen vergehen, da unter anderem der Betriebsrat zustimmen muss. In meinem AC wurde gesagt, dass ein im AC erfolgreicher Kandidat nochmal eine Woche später wiederkommen müsse, weil ein Verantwortlicher im Skiurlaub sei, der auf jeden Fall vor der Zusage noch ein Interview führen muss.
Gruppenübung: In der Gruppe ein Vergütungssystem für Vorstände und Top-Management entwickeln. Dazu wurden einige Randinformationen gegeben (Betriebsrat wünscht sich maßvolle Vergütung, Gewinn ist gestiegen, Vorstände haben in Krisenjahren auf Boni verzichtet etc.). Eine Präsentation der Ergebnisse war zu unserer Überraschung nicht gewünscht. Qualitativer Case: Kunden wünschen sich innovative Automobile. Mit welchen Maßnahmen können Innovationszyklen verkürzt werden und wie kostspielig sind diese Maßnahmen? Hinsichtlich der Kosten war nur die Rangfolge gewünscht, keine Bezifferung. Zwischendurch wurden allgemeine Fragen zu den VW-Modellen gestellt. Qualitativer Case: Jedem Bewerber wurde eine von zwei verschiedenen Abschätzungsfragen gestellt: 1) Wie viele Meter Currywurst werden in der VW-Kantine pro Jahr verzehrt? 2) Wie viel Kraftstoff und CO2 können eingespart werden, wenn VW Carpooling fördert? Einzelpräsentation: Welche fachlichen Kenntnisse haben Sie erworben, die für die Automobilindustrie relevant sind? Darstellung auf einem Flipchart gewünscht. Hinterher wurden die typischsten aller CV- und Personal-Fit-Fragen gestellt (Warum VW? Was sind Ihre Stärken und Schwächen?)
Es ist wichtig zu wissen, dass VW Consulting keine echte Strategie- oder Innovationsberatung ist. VW Consulting ist ein Implementierer und bietet externen Strategieberatungen wie BCG oder Bain keine Konkurrenz. Der Tenor lautet: operativ, operativ, operativ. Organisatorische Strukturen und Prozesse stehen absolut im Vordergrund. Entsprechend werden keine kreativen Köpfe oder Querdenker gesucht, sondern Leute, die die Automobilbranche bereits kennen und möglichst Skills im Bereich Prozesse haben (z.B. LEAN-Management), sodass sie von Tag 1 an Output liefern. Entsprechend muss man sich auch von Beginn an auf ein Fachgebiet festlegen. (Wirtschafts)ingenieure sind klar die bevorzugten Bewerber. Wer keinen klaren Automobilbezug im Lebenslauf hat, musste sich dafür unter schwierigsten Bedingungen rechtfertigen. Besonders wichtig ist auch der Bezug zur Marke VW. Idealerweise erzählt man, dass man nur VW für die einzig wahre Automarke hält. Ein anderer Bewerber hatte in der Vorstellungsrunde erzählt, dass er sich für Autos interessiert, aber selbst momentan keinen VW fährt. Das wurde sehr negativ aufgenommen und war im Verlaufe des Tages noch mehrmals Thema. Man darf nicht vergessen, dass über das VW Consulting Nachwuchsführungskräfte für die Linie gesucht werden und keine Freigeister, die nach 2-3 Jahren in einen anderen Konzern wechseln. Das AC ist ein typisches Konzern-AC nach dem Motto "Wir haben den tollsten Job der Welt und du willst ihn haben". Das Verfahren ist somit eine Einbahnstraße und auf die Bewerber wird kaum eingegangen. Kritisches Hinterfragen des Inhouse Consulting oder der Aufgabenstellungen im AC ist auf jeden Fall kontraproduktiv (z.B. stelle ich normalerweise gerne die Frage, welche Argumente gegen einen Einstieg bei dem Unternehmen sprechen).
Auf Wunsch gab es Einzelfeedbacks. Wie bereits in den anderen Squeaker-Berichten geschildert, gab man sich beste Mühe, die Ablehnung wasserdicht zu machen. Es hieß also immer, alle Stationen des Tages seien nicht bestanden worden. Beispielsweise hieß es, meine Performance im quantitativen Case hätte knapp nicht gereicht, obwohl mir der gleiche Berater kurz zuvor und direkt nach dem Case gesagt hat, es sei gut gelaufen und ich müsse mir auf keinen Fall Sorgen machen. Der Berater, der mit mir den qualitativen Case gemacht hat, war nicht mehr zugegen und die Personalerin hatte offensichtlich keine differenzierte Rückmeldung erhalten. Es sei aber "auf jeden Fall auch so" wie beim quantitativen Case gelaufen und sei nicht ausreichend gewesen. Der meines Erachtens eigentliche Grund für die Ablehnung war, dass ich in einem Bereich, in dem umfangreiche Erfahrungen und Skills habe, nicht auch bei VW Consulting arbeiten wollte. Meine Aussage, dass ich gerne einen anderen Bereich kennenlernen will, wurde sehr negativ aufgenommen ("Was haben wir davon, wenn Sie etwas lernen?"). Zudem ist es mir nicht gelungen, Begeisterung für VW und eine langfristige Linienkarriere im Konzern zu kommunizieren. Feedback seitens des Bewerbers wird bis auf einen kurzen Checkbox-Fragebogen nicht explizit gewünscht.
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