Ich arbeitete während meines Praktikums nicht an nur einem Projekt, sondern mein Praktikum unterteilte sich in zwei Teile: Zunächst war ich 3 Wochen lang einem sogenannten Proposal-Team zugeordnet. Ein solches Team versucht, Anfragen von Unternehmen, welche Beratungsbedarf bei sich erkennen, mit einem Projektvorschlag zu beantworten. Konkret handelte es sich um die Anfrage einer international tätigen Messegesellschaft, die sich strategisch neu ausrichten wollte. Insofern wurde von uns verlangt, innerhalb kurzer Zeit das anfragende Unternehmen und die Messewirtschaft insgesamt zu screenen, Lösungsvorschläge herauszuarbeiten und diese in einen Projektvorschlag umzusetzen. Genau hierin lag der besondere Reiz für mich als Praktikant: Innerhalb von drei Wochen sollte ich - quasi in Zeitraffer - den gesamten Ablauf eines Beratungsprojektes kennenlernen. Von der ersten Anfrage bei der Research-Abteilung, über die Erarbeitung von strategischen Optionen bis zur Erstellung einer Präsentation und das Halten derselben - alles sollte ich live miterleben und mitgestalten. Konkret war es meine Aufgabe, die Veranstaltungsportfolios des potentiellen Klienten und der Hauptwettbewerber zu bewerten und hieraus die strategischen Schlüsse zu ziehen. Weiterhin sollte ich die nationalen und internationalen Markttrends würdigen. Als besonders spannend stellten sich die Team-Sitzungen heraus, bei denen vom Praktikanten bis zum Partner alle gleichberechtigt versuchten, den Case zu knacken; derart konstruktive und zielorientierte Diskussionen waren mir bisher unbekannt. Als Mitglied eines internationalen Projektteams arbeitete ich die restliche Zeit an Problemlösungen auf dem Gebiet des Einkaufs in der Bauindustrie. Im Rahmen eines umfassenden Beratungsprojektes hatte unser Team die Aufgabe, Einsparpotentiale im Zuge einer europaweiten Bündelung des Einkaufes zu bestimmen. Hierbei galt es, die bisherige Einkaufspraxis zu erfassen und Vorschläge für die zukünftige Organisation zu erarbeiten. Meine Aufgabe bestand hierbei in der Durchführung von Experten- und Wettbewerberinterviews, der Zusammenfassung von Materialgruppen entsprechend ihrer Bündelungspotentiale und der Bestimmung internationaler Benchmarks. Letztliches Ziel war eine erste Einschätzung der Einsparungspotentiale in Bereichen des Einkaufs. Der Reiz dieser Arbeit lag darin, daß mir ein wichtiger Teilbereich des Projektes zur selbständigen Bearbeitung überlassen wurde. Von der Problemanalyse, der Erarbeitung eines Lösungsvorschlags, dessen Umsetzung in ein Excel-Modell bis zur graphischen Darstellung des Ergebnisses sowie einer Durchführbarkeitsanalyse lag alles in meiner Hand. Dies führte zwar einerseits dazu, daß der Arbeitstag für mich auch schon mal erst um 7 Uhr am Morgen endete und um 9 Uhr wieder begann, andererseits wurde hier meine Arbeit als Praktikant ganz maßgeblich gebraucht und gewürdigt - und was wünscht man sich anderes.
Wie sieht nun so ein motivierter Problemlöser mit Charakter und dem Hang zu Afterwork-Parties aus - neben den allgemein bekannten Anforderungen hier noch drei Schlagworte: Du mußt engagiert sein - das heißt, Dir muß es Spaß machen, bei der Arbeit genauso wie bei der Party danach aktiv und mit Einsatz mitzuwirken. Du mußt kommunikativ sein - daß heißt, Dir muß es sowohl liegen, in der Gruppe ein Problem zu lösen als auch in den oben angesprochenen Stunden am Flughafen Deine Mitstreiter zu amüsieren. Du mußt mutig sein - das heißt, Probleme, von denen Du Dich anfangs völlig überfordert fühlst, dürfen Dich genauso wenig abschrecken, wie das Vertreten eines eigenen Standpunktes.
Hervorragend! Dies ist meiner Ansicht nach zum einen beratungsimmanent: So sind in einem Beratungsunternehmen über 90 % aller Mitarbeiter im ungefähr gleichen Alter. Dies führt automatisch dazu, daß eine entspannte und kameradschaftliche Arbeitsatmosphäre vorliegt. Zudem hilft die große Anzahl von Gleichaltrigen, unter den Kollegen auch Freunde zu finden. Weiterhin gibt es bei Strategieberatungen durch Wachstum und Fluktuation immer auch viele, deren eigener Arbeitseinstieg noch nicht so weit zurückliegt. Aus diesem Grund steht man als Neuling nicht etwa alleine da, sondern bekommt viel Hilfe. Letztlich ist wohl bei allen Beratungen so etwas wie der Flughafentest Bestandteil des Recruiting-Prozesses: Will ich mit diesem Menschen die eventuell stundenlange Wartezeit am Flughafen verbringen. Kommunikationsfähigkeit und Offenheit werden so Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Beratertätigkeit. Zusätzlich gilt nach meinen Erfahrungen bei Bain, daß man sich dort auf die Fahne schreibt, besonderen Wert auf die Persönlichkeitsauswahl zu legen. In welchem Ausmaß dies tatsächlich umgesetzt ist, weiß ich nicht; was ich weiß ist, daß ich mit einer äußerst kritischen Einstellung zu den Beratern gestoßen bin und sehr positiv überrascht wurde. Keine Mainstreamer sondern Charakterköpfe, keine verbissenen Karrieristen sondern motivierte Problemlöser, keine Afterwork-Internet-Surfer sondern Afterwork-Party-Stürmer, so scheint mir die Auswahl zu erfolgen.
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