Unternehmensberatungen haben großen Bedarf an wissenschaftlichen Experten und holen Physiker, Biologen und Chemiker aus den Laboren in den Consulting-Alltag.
Im Labor mikroskopieren, Moleküle untersuchen, Gleichungen durchrechnen – der Berufsalltag eines Naturwissenschaftlers muss so nicht aussehen. Für Physiker, Biologen, Chemiker und Mathematiker bieten sich auch abseits der Labore und Pharmafirmen vielfältige Einstiegsmöglichkeiten – beispielsweise als Unternehmensberater.
Große Beraterfirmen wie McKinsey, die Boston Consulting Group oder Ernst & Young suchen derzeit händeringend nach Naturwissenschaftlern, die bereit sind, ihren Laborkittel gegen eine Krawatte einzutauschen. Für entsprechende Bewerber kann das die gut bezahlte Gelegenheit bedeuten, über den Tellerrand zu schauen und mehr mit Menschen zusammen zu arbeiten. Die analytische und unvoreingenommene Herangehensweise, die Naturwissenschaftler mitbringen, werden von Unternehmensberatungen besonders geschätzt!
Naturwissenschaftler denken analytisch
Die Eigenschaften, die Naturwissenschaftler typischerweise mitbringen, werden von den Unternehmensberatungen geschätzt: Bereits im Studium haben Naturwissenschaftler gelernt, systematisch und sachlich an Probleme heranzugehen. Sie denken analytisch und unvoreingenommen und können sich idealerweise schnell in schwierige Fragestellungen einarbeiten – bei der Arbeit im Consulting ist das von Vorteil.
Denn die Herangehensweisen eines Forschers und eines Unternehmensberaters sind ähnlich: Der Berater entwickelt verschiedene Szenarien, nach denen sich das Problem eines Kunden entwickeln könnte, beispielsweise, wenn er sein Standort verlagern oder ein neues Produkt einführen möchte. Dafür entwickelt er dann mögliche Strategien und Lösungen, analysiert den Markt, schaut auf die Konkurrenten und prüft den Kostenblock des Kunden – das funktioniert nur, wenn der Berater ergebnisoffen denkt.
Auf Augenhöhe mit dem Kunden
Doch vor allem das branchenspezifische Fachwissen, das ein Biologe oder Chemiker mitbringt, unterscheidet ihn von anderen Beratern, die meist Wirtschaft studiert haben. Die Unternehmensberatungen setzen die Naturwissenschaftler gerne bei Kunden aus der Pharma- und Biotech-Branche ein. Da hilft es, wenn der Berater nicht immer noch googlen muss, was ein Molekül ist oder wie ein Antibiotikum wirkt. So kann der Berater mit dem Kunden letztendlich auch über kleine Details diskutieren und mit ihm auf Augenhöhe sprechen. Das kommt natürlich auch beim Kunden gut an.
Die Arbeit im Labor unterscheidet sich dann aber doch vom Alltag eines Unternehmensberaters. Montagmorgens zum Kunden fliegen, vier Tage mit dem Laptop in fremden Konferenzräumen verbringen, Donnerstag abends zurückfliegen und an den Freitagen im heimischen Büro die Erkenntnisse der Woche auswerten und in einer Präsentation zusammenfassen – so sieht typischerweise der Job eines Beraters aus.
Dabei ist es nicht unüblich, dass man abends auch einmal länger im Büro bleiben kann. Ein klassischer Nine-to-Five-Job ist die Beratertätigkeit jedenfalls nicht. Wer in der Branche arbeiten möchte, muss zeitlich und räumlich flexibel sein. Dafür lockt aber auch ein stattliches Gehalt: Naturwissenschaftler steigen bei Unternehmensberatungen mit Gehältern um die 60.000 Euro jährlich ein, so eine Studie des Online-Gehaltsvergleichsportal Personalmarkt aus dem Jahr 2008. Damit verdienen sie sogar besser als Informatiker und Betriebswirte. Die Studie ist zwar inzwischen acht Jahre alt – doch noch immer gelten Naturwissenschaftler als gefragte Spezialisten.
Naturwissenschaftler in der Beratung sind eine Ausnahme
Denn die Unternehmensberatungen wollen ihre Teams am liebsten mischen – mit mäßigem Erfolg. Die Mehrzahl der Berater sind Wirtschaftswissenschaftler. Wie viele Naturwissenschaftler genau bei den Beratern arbeiten, verraten die Firmen nicht offen. Laut Karriere-Spiegel, der 2011 bei den großen internationalen Unternehmensberatungen nachfragte, sind es zwischen 5 und 20 Prozent. Um die 20 Prozent seien Ingenieure.
Trotz attraktivem Gehalt sind Naturwissenschaftler in der Beratung also eher noch eine Ausnahme. Die meisten ziehen einen Job in ihrem eigentlichen Feld auch der Turbo-Karriere als Unternehmensberater vor, wie eine Universum-Studie zeigt. Die Beratungsgesellschaft befragte über 4.600 deutsche naturwissenschaftliche Studenten, wo sie später am liebsten arbeiten wollen. Das Ergebnis: Die Max-Planck-Gesellschaft ist Traum-Arbeitgeber Nummer eins, in der Top 10 folgen große Chemie- und Pharmakonzerne. Der erste Unternehmensberater im Ranking ist mit McKinsey erst auf Platz 21. Das deckt sich auch mit einer Erhebung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft: Demnach arbeiten nur zehn Prozent der Physiker als Unternehmensberater oder Manager.
Bewerber müssen flexibel und interessiert sein
Wer sich für eine Karriere als Unternehmensberater interessiert, sollte auf jeden Fall in der Lage sein, sich binnen kurzer Zeit in neue Themen einzuarbeiten. Lange Arbeitszeiten und häufige Dienstreisen sollten den Bewerber oder die Bewerberin nicht abschrecken. Zudem ist Durchsetzungsvermögen, Kommunikationsbereitschaft und seriöses Auftreten im Consulting unabdingbar – der klischeehafte Nerd, der sich im Labor verkriecht, wird da zumindest ein wenig aus sich herauskommen müssen.
BWL-Kenntnisse sind zwar von Vorteil, aber nicht zwingend erforderlich. Die großen Beratungsgesellschaften bieten ihren Einsteigern auch die Möglichkeit, das betriebswirtschaftliche Grundwissen in firmeninternen Seminaren zu vertiefen. Zudem fördern die Arbeitgeber oft auch Auslandsaufenthalte.
Krawatte statt Kittel, Excel statt exotherme Reaktionen, Powerpoint statt Power-Counting. Naturwissenschaftler, denen das zusagt, kann auf jeden Fall ein Karriereschub winken. Doch Vorsicht: Nach ein paar Jahren in der Beratung ist es nicht unüblich, dass der Naturwissenschaftler auch wieder von einer Biotech- oder Chemiefirma abgeworben wird.