Auf den Chefsesseln der Beratungen sitzen noch nicht genug Frauen! Der Frauenanteil ist niedrig und nimmt mit steigenden Karrierestufen rapide ab. Dabei boomt die Branche, neue Leute sind dringend gesucht. Unternehmensberatungen haben Frauen längst als ernsthafte und kompetente Kolleg:innen entdeckt und lassen sich eine Menge einfallen, um weiblichen Talenten eine Consulting-Karriere zu ermöglichen. Der beste Zeitpunkt für deine Bewerbung ist daher genau jetzt!
Gender Shift
Beim Thema Gleichberechtigung neutral zu bleiben, ist eine Kunst – auch in der Unternehmensberatung. Schnell versperren Vorurteile die Sicht auf die Fakten. Aber anders als in anderen Branchen geht’s beim Gender-Thema im Consulting aber auch um völlig ungenutzte Möglichkeiten. Um es mal auf den Punkt zu bringen: Von einer stärkeren Beteiligung von Beraterinnen und Partnerinnen profitieren würden Branche und Consultingfirmen selbst. Denn gemischte Teams bieten nachweislich mehr Lösungsansätze und höhere Erfolgsquoten für Berater:innen wie für Kunden. Und hier liegt der Hund begraben, denn auf wenige Einsteigerinnen folgen im Lauf der Karrieren noch weniger Frauen in höheren Positionen.
Kurzer Zahlencheck: Entwicklung im Consulting
Seit 1990 gab es beim Frauenanteil in der Beratung kaum eine rasante Entwicklung. Seit circa acht Jahren bröckelt die reine „Männerdomäne“ immerhin: Bei Einsteiger:innen und Junior-Positionen rangiert der Frauenteil nun zwischen 30 und 40 Prozent. Je höher die Position und je größer die Unternehmensberatung, umso geringer ist der Prozentsatz an weiblichem Fachpersonal. Ganz oben ist die Ungleichheit am Höchsten: Partnerinnen bei großen Consultern machen nicht einmal fünf Prozent aus. Viel zu wenig. Hier erkennt jedes Kind, was nicht stimmt: Die krasse Verteilung ist ungünstig fürs Image der Branche, die ja nun mal mit kreativem Potential, Pioniergeist und unkonventionellem Denken werben möchte. Was sagt dazu der Wirtschaftsverband? Laut der BDU-Übersicht Facts & Figures konnten mittelgroße Unternehmensberatungen seit 2016 Frauen insgesamt stetig bessere Karrieremöglichkeiten bieten.
Branche mit Bremse
So sieht ein Dilemma aus: Die intellektuelle Schlagkraft und Effizienz gemischter Teams im Consulting sind bekannt, zahlreiche Medienberichte und Studien stimmen hier überein – doch ausgerechnet die auf High Potentials schielende Consultingbranche kommt nur langsam damit voran, Hochbegabte beider Geschlechter an einen Tisch zu bringen. Schläft die Branche etwa? Immerhin scheint das Arbeitsfeld Consulting ein guter Startplatz für die Karriere in anderen Branchen zu sein, so die Süddeutsche Zeitung: So seien Führungspositionen bei DAX-Unternehmen in den letzten Jahren durch Umsteigerinnen von McKinsey und Co. besetzt worden. Und um einmal eine These zu formulieren: Wie weit wäre das ebenfalls schleppende Thema Digitalisierung in Deutschland denn eigentlich, wenn die Consulting-Teams bei den Kunden mit mehr Frauen besetzt wären?
Womanomics
Viele Beratungen haben inzwischen nachgeholt und setzen gleichwertig auf die Arbeitskraft, Intelligenz und Führungskompetenzen von Frauen. Es werden Teilzeitmodelle, Kinderbetreuung und Home-Office nicht nur toleriert, sondern es wird explizit damit geworben. Beispiel McKinsey: Dort hat man es beim Nachwuchs geschafft und den Anteil der weiblichen Praktikant:innen und Einsteiger:innen in den letzten Jahren auf 40 bis 50 Prozent anheben können. Bain hat das Netzwerk Women@Bain gestartet, das Lerneffekte erfolgreicher Beraterinnen weiterreichen soll. Und auch BCG unternimmt viel – von besonderen Recruitingveranstaltungen für Frauen oder speziell auf Frauen zugeschnittene Trainings – und schneidet etwa in den USA als frauenfreundlichster Arbeitgeber ab.
Und wer hat Schuld?
Warum hakt es also bei vielen Consultern noch mit Frauen in Top-Positionen? Warum herrscht hier noch immer eine nach oben ausgeprägte Männerdominanz? Natürlich, die 70-Stunden-Woche ist familienfeindlich. Punkt. Aber so macht man es sich zu einfach. Denn den ‚einen‘ Grund gibt es nicht. Studien zum Thema Frauen im Consulting sehen viele Ursachen – von angeblich fehlendem Networking unter Beraterinnen, größeren Selbstzweifeln bei Frauen, geringerem Karrierestreben, Überbetonung der Frauenrolle bis zum Einschüchterungs- und Machgehabe männlicher Berater. Haltbar? Kurz gesagt: ein schmaler Grat. Denn kaum eine der Thesen lässt sich auf die Mehrheit im Consulting übertragen. Eine starke Rolle, da stimmen Medien und Studien überein, spielen festgefahrene Rollenmuster vom „Berater“ in Deutschland. Beim Blick über die Grenzen fällt auf, dass etwa in Frankreich oder Skandinavien Beraterinnen heute schon einen besseren Stand haben. Wo hakt es nun tatsächlich? An einem komplexen Zusammenspiel von Hierarchien und Gender-Mustern – das zu übergehen aber sicher das Consulting in der Lage sein wird. Got the message, guys?
Problem l: Wir brauchen mehr Female Rolemodels!
Wenn man mit Dr. Stephanie Wegener spricht, Co-Autorin des „Consulting Survival Guides“, von 2011 bis 2021 in einer globalen Strategieberatung tätig und seit Februar 2021 VP Strategie in einem britischen Telco Unternehmen, sieht vor allem zwei Aspekte – fehlende Vorbilder und Nicht-Nein-Sagen können. „Als ich 2011 einstieg, gab es noch zu wenige weibliche Vorbilder an denen ich mir ein Beispiel nehmen konnte. Das ging schon bei einfachen Dingen los wie Dresscode. Ich hielt mich immer sehr zurück und trug am Anfang meistens furchtbar langweilige graue Hosenanzüge. Erst über die Jahre habe ich gesehen was kleidungsmäßig überhaupt möglich ist. Glücklicherweise hat sich der Frauenanteil verbessert und mittlerweile haben junge Einsteigerinnen einige „Role Models“ in den höheren Etagen der Beratung. Leider natürlich immer noch nicht so viele wie wünschenswert. „Es gibt immer noch zu wenige Vorbilder, die einem zeigen, wie die Vereinbarkeit von Beraterkarriere und Familie wirklich funktionieren kann. Hier gibt es noch großen Nachholbedarf“, so Stephanie.
Problem II: “Everybody’s Darling”-Syndrom
Den zweiten Aspekt, den Stephanie sieht ist, dass Frauen noch zu wenig „trommeln“ und eher die Rolle des fleißigen Bienchens im Hintergrund spielen. „Immer wieder gibt es Kolleginnen, bei denen man das “Everybody’s Darling”-Syndrom feststellen kann. Hier noch eine Schleife drehen und noch ein halbes Dutzend Slides für den Appendix malen, hier noch die Essensbestellung am Abend für das 20-köpfige Team übernehmen und da noch ein offenes Ohr für die gescheiterte Ehe des Kollegen. Wichtig ist, dass wir Frauen lernen Nein zu sagen. Mit Nein sagen macht man sich sicherlich keine Freunde, aber man verschafft sich Respekt. Das soll im Gegenzug keinesfalls heißen, dass du zur unfreundlichen, kurzangebundenen, unempathischen Maschine werden solltest, es soll lediglich warnend angemerkt werden: Sei achtsam mit dir und deiner Zeit, damit du diesen faszinierenden Beraterjob noch lange machen kannst und willst.“ Im Consulting Survival Guide widmet sich ein Part auch dem Thema „Frauen in der Beratung“ mit War Stories und Tipps.
Way out: Zeit für eine kleine Disruption
Das große Fragenzeichen bleibt: Wieso sitzt keine Frau in einem der Chefsessel bei den Big Three? Vermutlich ist die Forderung nach einer Gleichstellung noch nicht in alle Winkel vorgedrungen. Männliche Consultingteams sollten einsehen: Ohne Beraterinnen an Bord kein Land in Sicht. Es gilt das große Ziel: mehr Frauen nach oben. Was kann der Einzelne beitragen? Eine Disruption im Kopf: Die eigenen, stereotypen Geschlechterrollen prüfen und abstellen. „Versuche ich gerade, einen Beschützerinstinkt zu wecken?“ – „Will sie was von mir?“ Leute, Contenance! Vielleicht liegt eine Lösung aber auch darin, weder den einen noch den anderen Weg zu glorifizieren: Wenn Familienleben und Beruf gleichberechtigt nebeneinanderstehen, fällt die Auswahl – auch im Consulting – leichter. Und zwar für Mädels wie für Jungs.
Leistungsorientierter Job
Unternehmensberatungen, die für Frauen attraktive Arbeitgeber sein wollen, müssen ihre Kultur verändern. Beratungen geben sich inzwischen mehr Mühe, den privaten Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter:innen gerecht zu werden. Gute ausgebildete Menschen sind bereit, hart zu arbeiten, aber sie wünschen sich eine gesunde Balance von Arbeit und Privatleben. Diese Unternehmen setzen sich zum Beispiel bereits aktiv für die Karriereförderung von Frauen ein:
Beratungsunternehmen | Förderprogramme |
McKinsey | Frauen bei McKinsey |
Boston Consulting Group | Women@BCG |
Oliver Wyman | Women at Oliver Wyman (WOW) |
Roland Berger | EmpowHER |
Horváth | Women@Horváth |
Unternehmen erkennen das Potenzial weiblicher Führungskräfte und investieren in Frauenförderung. Förderprogramme und Karriere-Events für Frauen kannst auch du für deine Karriere und deinen beruflichen Aufstieg nutzen.