Exoten in der Unternehmensberatung: Wie du den Quereinstieg ins Consulting packst
Im Consulting arbeiten doch nur BWLer:innen, oder? Falsch, immer mehr namhafte Beratungen stellen Quereinsteiger:innen oder “Exoten” ein oder bieten eine Fachkarriere an. Wir verraten dir, wie der Quereinstieg gelingen kann.
Nicht nur mit einem BWL-Studium besteht die Chance auf eine Karriere als Consultant. Von KPMG über EY und MHP Management- und IT Beratung bis hin zu Boston Consulting Group stellen immer mehr namhafte Beratungen auch Absolvent:innen anderer Studienrichtungen ein. Gerade IT-Fachkräfte oder auch Experten aus Natur- oder Gesellschaftswissenschaften, insbesondere diejenigen mit Berufserfahrung, sind bei großen Consultingfirmen gefragt.
Alternative Lebensläufe sind kein Hindernis
Nicht jedem ist schon mit Aufnahme des Studiums klar, in welche Richtung er oder sie sich beruflich entwickeln will. Teils vergehen auch mehrere Jahre im vermeintlichen Traumberuf, bis sich das Consulting als Wunschbranche entpuppt. Viele lassen die Idee aber schnell wieder fallen, da das BWL-Studium als Einstiegsvoraussetzung fehlt. Aber ist dem wirklich so? Nein, sagen Branchenexpert:innen. Seit Jahren schon verändert sich das Anspruchsprofil von namhaften Beratungsfirmen, die immer offener gegenüber alternativen Lebensläufen und Studienabschlüssen werden.
Insider-Tipp
“Technologiebegeisterte, unternehmerisch denkende Teamplayer mit einem MHP-Mindset und Lust auf Consulting haben nahezu unbegrenzte Perspektiven bei uns!” – Sarah Böning, Director Recruiting, MHP Management- und IT Beratung
Der Status Quo der Branche: perfekt für Quereinsteiger:innen
Die aktuelle Situation der Consulting-Branche könnte für Bewerber:innen kaum attraktiver sein. Dank guter Konjunktur und entsprechend starker Auftragslage sind die Top Consulting-Unternehmen händeringend auf der Suche nach Führungs- und Fachkräften. Dabei ist es insbesondere der digitale Wandel, der sämtliche Branchen betrifft und somit den Beratungsbedarf erhöht.
Aber auch die generelle Erweiterung des Auftragsspektrums macht sich bemerkbar. Immer häufiger werden zusätzlich die Bereiche HR Consulting, Operational Excellence oder Lean Management bedient. Entsprechend vielseitiger sind die heute geforderten Kompetenzen.
Recruiting-Ziele der großen Beratungsfirmen
Die Recruiting-Ziele der großen Beratungsfirmen sehen entsprechend positiv aus:
Beratungsunternehmen | Zu besetzende Stellen |
Boston Consulting Group | 500 |
Bain & Company | 200 |
Accenture | > 1.500 |
EY | > 1.500 |
KPMG | > 1.500 |
Was trotz der großen Attraktivität der Berater:innentätigkeit ebenfalls zum Fachkräftemangel führt, ist die hohe Fluktuation in der Branche. Viele Mitarbeiter:innen nutzen prestigeträchtige Positionen lediglich als Sprungbrett zu Corporates oder Start-ups. Aus all diesen Gründen wenden sich immer mehr Consulting-Unternehmen vom reinen Hochschulrecruiting ab und setzen verstärkt auf berufserfahrene Praktiker:innen, durchaus auch aus fachfremden Branchen – die idealen Voraussetzungen für deinen Karrierestart als Quereinsteiger:in.
Insider-Tipp
Die Tür für Quereinsteiger:innen wird sehr häufig durch Praktika im Consulting eröffnet. Halte also schon während deines Studiums Ausschau nach offenen Stellen!
MINTler:innen sind besonders gefragt
Grundsätzlich steht dir – unabhängig vom konkreten Abschluss – die Tür ins Consulting offen, solange du motiviert genug bist und die nötigen Softskills mitbringst. Allerdings sind einige Studienrichtungen spürbar häufiger vertreten als andere:
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Bei McKinsey beispielsweise sind nur 50 Prozent der Beschäftigten klassische Wirtschaftswissenschaftler:innen.
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Ein Fünftel der Mitarbeiter:innen sind Ingenieur:innen, die unternehmensunabhängig gern gesehene Fachleute in der Consulting-Welt sind.
- Die fehlenden 30 Prozent sind aus einem Potpourri der unterschiedlichsten Fachrichtungen zusammengesetzt.
Und nicht nur McKinsey ist hier offen: Speziell Boston Consulting Group ist schon seit Jahrzehnten offen an den Top-Performern jeder Fachrichtung interessiert. Da gerade das Thema Digitalisierung immer prominenter im Alltag sämtlicher Unternehmensberatungen wird, haben Informatiker:innen, (Wirtschafts-)Mathematiker:innen und andere Absolvent:innen eines MINT-Faches ebenfalls sehr gute Chancen, mit einer Bewerbung erfolgreich zu sein.
Auch in der SAP-Beratung gibt es Optionen für Exoten
Selbst im Bereich der SAP-Beratung nimmt die Diversität unter den Consultants zu: 90 Prozent der Direkteinsteiger:innen sind nicht nur Wirtschaftswissenschaftler:innen, sondern auch Wirtschaftsinformatiker:innen, Naturwissenschaftler:innen oder Absolvent:innen eines Studiengangs mit technischem Schwerpunkt. Allerdings finden sich auch hier Jurist:innen und Theolog:innen, selbst Nicht-Akademiker:innen – beispielsweise Kaufleute – haben eine Chance.
Insider-Tipp
Wer einmal von sich überzeugen konnte und eine Stelle in der SAP-Beratung bekommt, hat die schwierigste Hürde genommen. Die zweite Bewerbung im SAP-Bereich dürfte um einiges leichter sein.
Worauf man sich einlässt
Du solltest dir im Vorhinein darüber im Klaren sein, was der Alltag als SAP-Consultant bedeutet: Arbeits- und Reiseintensität für mindestens zwei bis drei Jahre gehören dazu.
Entscheidend ist das Vorhandensein von sowohl (grundlegendem) betriebswirtschaftlichen als auch IT-Wissen. Hier punktest du, wenn du dir bereits über Praktika oder Zusatzzertifikate ein Bild von der SAP-Beratung oder verwandten Berufsfeldern gemacht hast. Allerdings müssen sich Quereinsteiger:innen in die SAP-Beratung einem gewissen Zeitdruck beugen. Da viele Stellen unbesetzt sind und SAP-Berater:innen dringend gesucht werden, gelten längere Lücken im Lebenslauf nach entsprechenden Fort- und Weiterbildungen als nicht bewältigter Einstieg und sind unter Personaler:innen fast immer ein Ausschlusskriterium.
Die eigene Expertise in den Vordergrund stellen, um zu überzeugen
Wer aus einer fachfremden Branche kommt, sollte auf sein Expertenwissen bauen. Denn Wirtschaftswissenschaftler:innen sind zwar solide in den allgemeinen Prinzipien der Beratung, können Bilanzen und Geschäftsabläufe verstehen – inhaltliches, branchenspezifisches Wissen fehlt aber meist. Deshalb profitiert ein Team, das für einen Pharmakonzern arbeitet, spürbar von einem Mediziner:innen oder Chemiker:innen, der auf fachlicher Ebene beraten kann.
Insider-Tipp: Deine Skills
Weise in deinen Bewerbungen explizit auf Fähigkeiten hin, die du im Laufe des Studiums oder von Praktika erlangt hast. Wenn du dich beispielsweise für eine Stelle im IT-Umfeld bewirbst, unterstreiche Bestnoten in entsprechenden Seminaren und stelle deine Erfahrung dar!
Auch nicht direkt fachbezogene Kompetenzen finden sich oft bei Absolvent:innen bestimmter Studiengänge. Naturwissenschaftler und Naturwissenschaftlerinnen beispielsweise haben gelernt analytisch zu denken und Ideen strategisch umzusetzen. Geisteswissenschaftler:innen sind es gewohnt, „um die Ecke“ zu denken und kreative Lösungen für Probleme zu finden. Ein gutes Consulting-Team profitiert von all diesen Ansätzen und einer möglichst bunten Mischung der genannten Kompetenzen.
Insider-Tipp: Motivationsschreiben
Versuche beim Motivationsschreiben nicht zu begründen, warum du auch ohne BWL-Studium für die Stelle geeignet bist. Stelle lieber dar, warum dich dein beispielsweise naturwissenschaftliches Studium besonders qualifiziert, indem du dich auf deine analytischen Fähigkeiten oder “Denkweise” beziehst.
Die Branche geht auf Quereinsteiger:innen zu
Dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass die großen Namen im Beratungsbereich gezielt fachfremde Interessent:innen ansprechen. McKinsey zum Beispiel veranstaltet das Karriere-Event „Tatendrang“ in Berlin, bei dem du in vier Tagen ein Gefühl dafür gewinnst, was bei McKinsey alles möglich ist. Das Event richtet sich an Top-Performer:innen jeder Fachrichtung, erwartet werden Begeisterungsfähigkeit und das Interesse, sich auch mit völlig neuen Themen und Fragen intensiv zu beschäftigen. Wer den Bewerbungsprozess im Consulting übersteht, profitiert dann von eigens angebotenen Workshops und Kursen, die für Nachhilfe in BWL sorgen. Mentor:innen und Coachings helfen, das fehlende Wissen rasch nachzuholen. Dennoch setzen die meisten Unternehmen vor allem auf das „learning-by-earning“-Prinzip: Als Quereinsteiger:in sollst du dich „on the job“, also im aktiven Projekt, weiterbilden und deine Kompetenzen schulen.
Sie hat es auch geschafft!
Ein Paradebeispiel für den Quereinstieg liefert Lynn Waffenschmidt, die 2014 von der FAZ portraitiert wurde. Sie war als Au-Pair und Lehrerin tätig und verrichtete in einer Autofabrik Fließbandarbeiten. In ihrem Studium widmete sie sich Philosophie und Ökonomie sowie Jura. Nebenbei lernte sie Chinesisch. Gerade dieser unkonventionelle Ausbildungsweg und das breite Interessenspektrum machte sie für das Consultingfach attraktiv und verschaffte ihr letztendlich einen Job bei Boston Consulting Group.
Der fachliche Hintergrund ist zweitrangig, Softskills und Branchenwissen nicht
Dass Nicht-BWLer:innen nach der Einstellung zusätzlich eigens geschult werden, bedeutet allerdings nicht, dass von ihnen kein Vorwissen in Sachen Beratung gefordert wird. Sie müssen sich im Bewerbungsverfahren natürlich genauso mit verschiedenen Cases (wenn auch nicht so branchenkenntnisbezogen) auseinandersetzen und ein Verständnis für grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge beweisen. Wie das erworben wurde – ob über Weiterbildungen, Vorbereitungskurse oder in Eigenregie – spielt dabei aber keine Rolle. Wer das nötige Know-how am Fallbeispiel nachweisen kann, braucht kein Zeugnis, das es ihm bescheinigt.
Insider-Tipp
Berufserfahrung ist der Schlüssel zum erfolgreichen Quereinstieg. Wer das Arbeitsleben schon mehrere Jahre selbst miterlebt hat, ist eindeutig attraktiver für Consulting-Firmen.
Nicht verhandelbare Softskills
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Als potenzieller Consultant musst du wissen, wie du auch in Stresssituationen gelassen mit deinem Gegenüber umgehen und wie du ein Gespräch geschickt führen kannst.
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Gerade an diesem Punkt sind es oft die Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler:innen, die den Wirtschaftswissenschaftler:innen voraus sind. Sie haben entsprechende Strategien entweder im Studium gelernt oder im Kundenkontakt in sozial ausgerichteten Berufen erworben.
Die wichtigsten Kompetenzen auf einen Blick:
- ausgezeichneter Uniabschluss
- tiefgehendes Fachwissen
- analytisch-strategisches Denken
- Beratungstalent
- Teamfähigkeit
- sehr gute kommunikative Fähigkeiten
- Innovationskraft
- Neugierde
Praktika bei Studentischen Beratungen als ideale Möglichkeit, das Consulting-Business kennenzulernen
Wenn du nicht über ein wirtschaftswissenschaftliches Studium automatisch in Kontakt mit dem Thema Consulting gekommen bist, musst du erst einmal herausfinden, ob dir der Job tatsächlich liegt. Dazu bieten sich vor allem Praktika an. In vielen großen Beratungen sind die Plätze aber nicht nur stark umkämpft, sondern die Möglichkeiten, dich aktiv einzubringen, auch eher begrenzt. Optimal bieten sich deshalb studentische Beratungen als Praktikumsoption an.
Bei diesen studentischen Unternehmensberatungen arbeiten ausschließlich Student:innen und Absolvent:innen, sodass dir schnell die Möglichkeit gegeben wird, selbst Ideen und Projekte umzusetzen. Universitätsnahe studentische Beratungen sind dabei oft lehrstuhlgebunden und richten sich vorwiegend an Student:innen der Wirtschaftswissenschaften. Gerade unabhängige GmbHs sind aber auch für Student:innen anderer Fachrichtungen eine gute Anlaufstelle.
Auf die Größe kommt es an
Insgesamt sind vor allem die großen Namen im Consulting Business offen für Quereinsteiger:innen. McKinsey, Boston Consulting Group, MHP Management- und IT Beratung oder Accenture schreiben teilweise sogar gezielt Stellen für fachfremde Bewerber:innen aus. Bei kleineren Unternehmen hast du es dagegen oft schwerer. Diese sind häufig sehr spezialisiert und setzen deshalb weniger auf inhaltliche Vielfalt in ihren Teams. Hier hast du also vor allem dann eine Chance, wenn das konkrete Unternehmen sich beratend für die Branche etabliert hat, in der du mit Fachwissen auftrumpfen kannst. Ansonsten sind Exoten dort eher projektbezogen gefragt.
Langsam kommt es allerdings zu einem generellen Umdenken im Consulting. Der Trend geht in Richtung Vielfalt und auch der Blick abseits der großen Namen lohnt zunehmend.
Fazit: Die falsche Ausbildung gibt es für einen Consultant nicht
Auch, wenn einschlägig wirtschaftsorientierte Abschlüsse dir den Einstieg nach wie vor erleichtern, kann dich grundsätzlich jedes Studium (oder sogar eine Ausbildung) für den Job als Berater:in qualifizieren. Dabei ist entscheidend, dass du auf die Kenntnisse in deinem Fachbereich als Alleinstellungsmerkmal setzt, dir gleichzeitig aber auch betriebswirtschaftliches Wissen aneignest.
Die perfekte Brücke schlagen Praktika oder Nebenjobs im Consulting Bereich. Sie helfen dir gleichzeitig herauszufinden, ob die Tätigkeit tatsächlich deinen Vorstellungen entspricht. Bist du dir deiner Sache sicher, sind die großen Namen im Consulting Business die richtigen Ansprechpartner:in für dich. Im Bestfall findest du eine Ausschreibung, die sich explizit an „Exoten“ richtet. Definitiv solltest du dich von Rückschlägen und Absagen nicht verunsichern lassen: Ist der Einstieg in die Branche einmal geglückt, werden die Wenigsten noch einen Unterschied zwischen dir und Direkteinsteiger:innen machen.