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Learnings aus einer steilen Karriere: Niemand hat je einen Streit mit einem Kunden gewonnen

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08.11.2024
Köln
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Im Gespräch mit Hermann Simon, Gründer von Simon-Kucher 

Blicken wir zurück auf die letzten 20 Jahre im Consulting. Was ist die größte Veränderung der Branche?

Ich blicke etwas weiter zurück. Als wir 1985 anfingen, war die erste Anschaffung ein Telex, ein sogenannter Fernschreiber, mit dem man schriftliche Nachrichten empfangen und senden konnte. Unsere Analysen führten wir damals auf dem Großrechner der Universität Bonn durch. Das bestimmte u.a. den Standort unseres ersten Büros, denn wir durften nicht zu weit von dem Rechnergebäude entfernt sein. Kurze Zeit danach kamen die ersten PCs, und wenige Jahre später gab es Laptops, sodass wir auch Computerinterviews durchführen konnten. Diese passten die Fragen an die Antworten der Teilnehmer an. Man könnte sagen, das war ein erster Schritt in Richtung künstliche Intelligenz. Aber der überraschendste Umbruch kam für mich durch Corona. Vor Corona war ich, wie wohl die meisten Consultants, der Meinung, dass man Beratung nur persönlich durchführen kann. Das bedeutet, dass man beim Kunden sein muss oder der Kunde einen besucht. All das ist mit einem enormen Reiseaufwand verbunden. Es war für mich unvorstellbar, dass man ohne jegliches Reisen und persönliche Besuche erfolgreich arbeiten und sogar noch wachsen kann. Genau das haben wir im Coronajahr 2020 geschafft. Und der nächste Schritt, die künstliche Intelligenz, ist in vollem Gange. Wir haben gerade eine große Initiative in diese Richtung gestartet. Man kann eine Parallele zur Medizin ziehen, wo sich die Kombination von menschlicher und künstlicher Intelligenz als Treiber des Fortschritts erweist. So könnte es auch im Consulting kommen.

Aus welcher Motivation heraus haben Sie Ihre Beratung gegründet?

In meinem ersten Leben war ich 15 Jahre lang Professor, zunächst an der Universität Bielefeld, dann an der Universität Mainz. Schon damals hatte ich die Ambition, die Praxis zu beeinflussen. Das tat ich in den ersten zehn Jahren meiner Professur vor allem durch Managementseminare. Ich war drei Jahre lang Direktor des größten deutschen Managment-weiterbildungsinstitutes. Es hieß damals Universitätsseminar der Wirtschaft und ist heute in die European School of Management and Technology in Berlin aufgegangen. Während meiner dortigen Tätigkeit habe ich sozusagen Blut an der Praxis geleckt. Ich glaube, dass in dieser Zeit das Fundament für die eigene Beratung gelegt wurde. Das gilt in Bezug auf meine Interessen, aber auch für das Beziehungsnetzwerk, das durch die zahlreichen Kontakte zu Führungskräften und Topmanagern entstand. 

Gab es seitdem einen Shift in den Werten, die Sie antreiben?  

Von den Hidden Champions habe ich gelernt, dass sie der Beste in ihrem Markt sein wollen. Diese Ambition spielte auch bei mir eine zentrale Rolle. Der Beste kann man nur werden, wenn man sich fokussiert. Das habe ich seit meiner Dissertation mit dem Schwerpunkt Preismanagement getan. Heute sind wir auf diesem Gebiet Weltmarktführer. Weitere Werte während meiner Zeit als CEO von Simon-Kucher waren Ehrlichkeit, Qualität, Kreativität und Schnelligkeit. Meine Nachfolger haben diese Werte leicht modifiziert, ohne sie in der Substanz zu verändern. Zum Beispiel spielen heute Diversität und Inklusion eine extrem große Rolle. Auch Multikulturalität ist bei uns wichtig, denn wir haben Mitarbeiter:innen aus mehr als 50 Nationen. Insofern kann man sagen, dass sich die Grundwerte nicht verändert haben, dass es aber eine Erweiterung und eine Entwicklung in Richtung dieser modernen Werte gab.

Der Beste kann man nur werden, wenn man sich fokussiert.

Worauf sind Sie in Ihrer Karriere besonders stolz?

Auf zwei Dinge bin ich besonders stolz. Die Beratung habe ich mit meinen ersten Doktoranden, Dr. Eckhard Kucher und Dr. Karl-Heinz Sebastian, gegründet. Wenige Jahre später kamen zwei weitere Doktoranden hinzu, Dr. Klaus Hilleke und Dr. Georg Tacke. Dieses fünfköpfige Team hat das ganze Berufsleben bei Simon-Kucher gearbeitet. Ich glaube, dass so etwas ziemlich einmalig ist. Diese Personen sind das Fundament, auf dem unser globales Unternehmen entstanden ist. Der zweite Aspekt ist, dass wir mit Simon-Kucher ein Unternehmen geschaffen haben, das eigenständig und selbständig geblieben ist und mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an einen der Giganten im Consulting verkauft wird und so seine Identität verliert. Letzteres ist das Schicksal der meisten Beratungsunternehmen, in denen die Gründer:innen möglichst hohe Anteile möglichst lange behalten. Ist das Unternehmen erfolgreich, können es die jüngeren Partner:innen nicht mehr kaufen, und es wird an einen Konzern weiter gereicht. Ich schätze, dass dies das Schicksal von mehr als 90 Prozent aller neugegründeten Unternehmensberatungen ist. 

Und was bereuen Sie? 

Es gibt viele Dinge, die ich rückblickend anders oder nicht machen würde. So gründeten wir in den 80-er Jahren eine Management-weiterbildungsfirma. Das Konzept glich dem heutigen Executive MBA, also einem MBA-Studium auf Teilzeitbasis. Wir wollten dabei dem deutschen Berufsbildungsmodell folgen, in dem Naturwissenschaftler:innen und Techniker:innen alle zwei Wochen für zwei Tage Kurse besuchen und nach zwei Jahren einen Abschlussgrad erhalten. Letztlich entschied sich das Schicksal dieses Projektes, als der Siemens-Vorstand beschloss, dass es nicht möglich sei, die jungen Ingenieur:innen und Naturwissenschaftler:innen alle zwei Wochen für zwei Tage zu entbehren. Ein zweites Projekt, das nicht zum Erfolg führte, war das sogenannte „Economic Consulting“. Hierbei ging es um Gutachten im Rahmen von Kartell- und Fusionsverfahren. Wir stellten speziell für dieses Projekt sogar Mitarbeiter:innen ein, darunter eine Beraterin, die Doktortitel sowohl in Jura als auch in Ökonomie hatte. Die Methoden, die bei diesem Economic Consulting eingesetzt werden, ähneln denjenigen, die wir in unseren normalen Projekten verwenden. Doch es gab einen Stolperstein. Für einen großen amerikanischen Klienten, der eine bekannte Marke übernehmen wollte, trat ich als Gutachter vor dem Kartellamt auf und wurde gefragt, ob wir den amerikanischen Klienten auch beraten. Das musste ich bejahen, und damit war unsere Glaubwürdigkeit als neutraler Gutachter dahin. Normales Consulting und Economic Consulting sind also unvereinbar, nicht wegen der Inhalte, sondern wegen der Inkompatibilität der beiden Bereiche. Aus diesen Fehlschlägen habe ich unter anderem gelernt, dass wir bei unserem Fokus bleiben sollten und dennoch genügend Wachstumspotenzial haben. Das Motto „Schuster bleib bei Deinem Leisten“ gilt heute wie früher.

Aus welchem Erlebnis in Ihrer Laufbahn können künftige Berater:innen etwas lernen?

In den ganz frühen Jahren passierte Folgendes. Wir hatten einen Dissens mit einem Klienten aus der chemischen Industrie. Ich war damals in den USA, sodass eine direkte Kommunikation und Klärung nicht einfach waren. Ich schrieb einen geharnischten Brief an den zuständigen Vorstand, von dem ich nicht allzu viel hielt. Offenbar schien das in dem Brief durch. Gründungsmitglied Dr. Karl-Heinz Sebastian kommentierte das wie folgt: „Niemand hat je einen Streit mit einem Kunden gewonnen.“ Er hatte Recht. Erst nach einigen Jahren, als der betreffende Vorstand in den Ruhestand ging, kamen wir wieder mit dem Unternehmen ins Geschäft. Ich habe daraus gelernt, und die Lektion, dass man einen Streit mit einem Kunden nie gewinnt, sollten sich auch Nachwuchs-Consultants zu Herzen nehmen. 

Ihre Beratung ist Eigentum der mehr als 140 Partner:innen. Welche Einsteiger:innen haben später eine Chance auf einen solchen Partner:innen-Posten? 

Unser Konstrukt ist in der Tat einzigartig in der Beratungsbranche. Ich kenne jedenfalls keinen weiteren Fall. Wenn Anteile an junge Partner:innen übergehen, erfolgt die Bewertung nicht durch ein Multiple oder irgendeinen buchhalterischen Faktor, sondern wir veranstalten eine interne Börse. Es wird eine Preisspanne festgelegt, und innerhalb dieser Preisspanne geben die Seniorpartner:innen, die verkaufen dürfen, an, wieviel sie zu einem bestimmten Preis verkaufen wollen. Die Juniorpartner:innen geben an, wieviel sie bei den jeweiligen Preisen kaufen wollen. So entstehen eine Angebots- und eine Nachfragekurve, deren Schnittpunkt Preis und Menge festlegt. Alle sind jederzeit gleich gut informiert. Das bedeutet, dass die jungen Partner:innen erhebliche Beträge investieren müssen. Aber sie ernten auch den Ertrag ihrer Arbeit, wenn sie, zum Beispiel nach 20 Jahren, ausscheiden. Es handelt sich um ein voll unternehmerisches Modell, das in der Bratungsbranche einmalig ist. Neueinsteiger:innen, die bei uns Partner:in werden wollen, sollten insofern einen unternehmerischen Mindset mitbringen. Persönlichkeit und Kompetenz sind natürlich wie in jeder Beratung unverzichtbare Voraussetzungen, aber bei uns kommt das unternehmerische Element hinzu. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Element der Treiber unseres anhaltenden Wachstums ist. Unsere Partner:innen sind echte Unternehmer:innen. 

Neueinsteiger:innen, die bei uns Partner:in werden wollen, sollten insofern einen unternehmerischen Mindset mitbringen. 

Wie beschreiben Sie den Sinn Ihrer eigenen Beratung?

Dieses Unternehmertum ist ein zentraler Teil unserer Identität und auch des Purpose. Es bedeutet beispielsweise auch Freiheit. Ich glaube, dass Freiheit zu entscheiden und zu tun ein extrem wichtiger Aspekt von Purpose ist. Ich gehe einmal davon aus, dass die meisten Unternehmen etwas Sinnvolles tun, dazu beitragen, dass die Welt besser wird, Arbeitsplätze schaffen etc. Wir leiten unseren Purpose daraus ab, dass wir die Unternehmen bei dieser Aufgabe unterstützen. Zudem arbeiten wir vorwiegend mit und für Innovationen. Innnovationen dienen in der Regel dazu, höheren Nutzen zu bieten oder einen gegebenen Nutzen zu niedrigeren Kosten zu erbringen. Unsere Beteiligung an der Einführung solcher Innovationen trägt stark zum Sinn unserer Arbeit bei. 

Was bewundern Sie heute an Einsteiger:innen? Und was stört Sie? 

Ich bin immer wieder davon beeindruckt, welches Erfahrungsportfolio Einsteiger:innen heute mitbringen. Das reicht von Auslandserfahrungen in der ganz Welt und Mitarbeit an sozialen Projekten bis hin zu anspruchsvollen Praktika. Zu meiner Zeit als Student hätte ich von solchen Dingen nur träumen können. Das war alles völlig unrealistisch. Natürlich bringen solche Erfahrungen auch ein Anspruchsniveau und Erwartungen mit sich, denen die Realität nicht immer gerecht werden kann. Ich habe immer gesagt, wenn mir 70 Prozent meiner Arbeit Spaß macht und der Rest notgedrungen erledigt werden muss, bin ich auf der positiven Seite. Es gibt nicht das Paradies in der Arbeitswelt, und wenn man dieses Paradies erwartet, wird man Enttäuschungen erleben. Insofern wünsche ich mir manchmal bei Einsteiger:innen etwas mehr Realismus.

Welche Message würden Sie Einsteiger:innen und erfahrenen Consultants mitgeben?

Hier komme ich auf mein bewährtes Motto, das von Seneca stammt, zurück: Per aspera ad astra! Oder auf gut deutsch: Auf rauen Pfaden zu den Sternen! Ein junger Mensch sollte Ambitionen und so etwas wie eine Vision haben. Diese können ein Leitstern sein, den man nie aus den Augen verlieren sollte. Man darf jedoch nicht erwarten, dass der Weg zu den Sternen glatt gepflastert ist und einen reibungslos voran bringt. Es gibt immer Hindernisse, die sich in den Weg stellen, Fehlschläge, die einen zurückwerfen, und Frustrationen, die man überwinden muss. Das ist „per aspera“, der raue Weg. Ich selbst bin damit gut gefahren, wie man detailliert in meiner Autobiografie „Zwei Welten, ein Leben – Vom Eifelkind zum Global Player“ nachlesen kann. Jungen Menschen empfehle ich jedenfalls, dieses Motto zu beherzigen: Per aspera ad astra! 

Hermann Simon ist Gründer und Honorary Chairman von Simon-Kucher, dem Weltmarktführer in der Preisberatung. Simon ist Experte für Strategie, Marketing und Pricing und ein weltweit gefragter Berater und Referent. Er ist der einzige Deutsche in der „Thinkers50 Hall of Fame“ der wichtigsten Managementdenker der Welt. Auf der Seite managementdenker.de wird er seit 2005 zum einflussreichsten lebenden Management-denker im deutschsprachigen Raum gewählt. Das Magazin Cicero zählt ihn zu den 100 einflussreichsten Intellektuellen in Deutschland. Simons Hirsch-Index beträgt 53

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Angela Schmitz-Axe ist Director in unserem Innovation Hub, der Consulting Garage und dort u.a. verantwortlich für die Entwicklung von Innovationen für und mit unseren Kunden. Zuvor hat sie dafür die Grundlage geschaffen, indem sie das gesamte Innovationsmanagement bei Deloitte gemeinsam mit einigen Kolleg:innen von Grund auf mit aufgebaut hat.

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Ich bin Marina und seit 2020 bei BearingPoint für das People Development-Team verantwortlich. Früher war ich in den Bereichen Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung unterwegs, habe in den Themenfeldern promoviert und auch viele Jahre gearbeitet. Ich wollte dann aber doch noch mehr „mit Menschen machen“ und habe mich aufgrund meiner umfassenden didaktischen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Personalentwicklung entschieden.

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