Die persönliche Mobilität steht vor einem Umbruch. Obwohl viele weiterhin das eigene Auto bevorzugen, gewinnen flexibel kombinierbare innovative Services bei steigenden Benzinpreisen und zunehmender Regulierung an Attraktivität.
Die Kriterien für die Wahl des Verkehrsmittels erweisen sich dabei als stabil: Kosten und Convenience bestimmen nach wie vor, wie man reist. Um auch in Zukunft im Spiel zu bleiben, müssen die Automobilhersteller das Fahrzeug als zentralen Baustein im Mobilitätsmix positionieren und die verschiedenen Transportmittel benutzerfreundlich miteinander verzahnen. Das sind Ergebnisse der aktuellen Studie „The Future of Mobility“ von Oliver Wyman, für die in Zusammenarbeit mit der ESB Business School knapp 3.000 Personen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Shanghai und Singapur befragt wurden. In den kommenden Jahren wird die Mobilität einen drastischen Wandel erfahren: Weltweit sind immer mehr Menschen bereit, auf das eigene Auto zu verzichten.
Insbesondere in den Metropolregionen, und hier vor allem in Asien, ist die Bereitschaft hoch, sich zugunsten eines Mix aus verschiedenen Transportmitteln kein eigenes Fahrzeug mehr zu halten. Die Kosten für Anschaffung und mehr noch die Unterhaltskosten sind die dominierenden Parameter bei der Entscheidung zwischen eigenem Auto und anderen Verkehrsmitteln. Das gilt weitgehend unabhängig von Alter, Geschlecht und sozialem Status der Befragten. Zweitstärkste Triebfeder für das Umdenken ist der bequeme Zugang zu Fortbewegungsalternativen. Ökologische Überlegungen haben dagegen nur einen geringen Einfluss auf die Wahl des Transportmittels.
Deutlich wird die Bereitschaft zum Wandel an einem konkreten Szenario zur nachhaltigen Mobilität für das Jahr 2030, das den Befragten vorgelegt wurde. Dieses Szenario unterstellt mehr Staus im Individualverkehr sowie eine bessere Qualität öffentlicher Verkehrsangebote und die vollständige Planbarkeit multimodaler Reisen durch Smartphone-Apps. Getestet wurden zudem Faktoren wie ein Kraftstoffpreis von mehr als vier Euro pro Liter und eine Reihe regulatorischer Maßnahmen, die in die Wahl des Verkehrsmittels eingreifen. In einem solchen Szenario würden bis zu 40 Prozent der Befragten ganz auf ein eigenes Auto verzichten. Auf ein Elektrofahrzeug umsteigen würden dagegen nur halb so viele. Bei stark steigenden Kraftstoffpreisen sind sogar 77 Prozent bereit, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern, etwa durch den Umstieg auf kleinere Autos, Elektrofahrzeuge oder durch die Nutzung variierender Transportmittel. Die Befragten in Shanghai aber auch in Frankreich sind besonders offen für einen Wandel. Am flexibelsten zeigen sich junge Stadtbewohner mit hohem Bildungsgrad sowie Smartphone-Nutzer. Studenten sind mit 86 Prozent am ehesten zum Umstieg bereit. Tendenziell geringer ist die Bereitschaft zum Wechsel bei Topverdienern und Personen mit Statusorientierung. Auch Frauen und Familien orientieren sich etwas mehr an traditionellen Mobilitätsmustern.
Individuelle Mobilität – ein System aus vielen Bausteinen
Die Analyse bestätigt, dass innovative Mobilitätsdienste wie Carsharing immer wichtiger werden. „Vor allem junge Menschen legen nicht mehr so großen Wert auf das eigene Fahrzeug wie frühere Generationen“, sagt Matthias Bentenrieder, Partner bei Oliver Wyman. „Diese junge, urbane Smartphone-Generation ist offener für neue Mobilitätskonzepte und wird den Wandel der Industrie treiben.“ Im weltweiten Durchschnitt wird Carsharing bisher zwar nur von 1,4 Prozent der Befragten genutzt, in Singapur und Shanghai ist der Prozentsatz aber bereits deutlich höher. In Europa können sich vor allem Briten mit diesem Modell anfreunden. Neben der deutlich zunehmenden Präferenz für flexible Nutzungsformen wie Carsharing nimmt auch die Bedeutung von Elektrofahrzeugen zu.
Im Verbund der unterschiedlichen Verkehrsmittel leisten diese einen wichtigen Beitrag. Organisiert wird das Zusammenspiel auf individueller Ebene über moderne I&K-Technik mit dem Smartphone als Schaltzentrale. Für die Akzeptanz bei den Anwendern ist es entscheidend, dass sich alle Elemente einfach und nahtlos zu einem Gesamtmodell zusammensetzen lassen. „Um eine bessere Mobilität zu schaffen, genügt es eben nicht, nur die Antriebsart zu ändern“, erklärt Daniel Kronenwett, Berater bei Oliver Wyman. „Ein Erfolg versprechendes Konzept muss insbesondere eine leichte Nutzung für unterschiedliche Anwendergruppen sicherstellen und sich intelligent mit anderen Verkehrsarten kombinieren lassen.“
Die Wahl des Transportmittels
Die Wahl des Transportmittels wird insgesamt von starken Konstanten determiniert. So ist beispielsweise die Fahrt zur Arbeitsstätte in allen Regionen das wichtigste Motiv für die Fahrzeugnutzung. Die Bedeutung des Autos ist dort besonders hoch, wo es um die Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsangebote schlecht bestellt ist – vor allem in ländlichen Gebieten. Allerdings offenbart die Studie auch geografische Unterschiede: Während in deutschen Metropolregionen die Qualität des öffentlichen Personennahverkehrs von 97 Prozent der Befragten als „gut“ oder „sehr gut“ eingeschätzt wird, geben in Singapur 81 Prozent diese positive Bewertung ab. Dennoch halten in 71 Prozent der Deutschen am eigenen Fahrzeugs fest; in Singapur sind es nur 51 Prozent.
Regionale Mobilitätsbedürfnisse berücksichtigen
Für die Automobilindustrie sind die asiatischen Megacities mit ihrem hohen Anteil junger, technikorientierter Bewohner und einer investitionsfreudigen Verkehrspolitik ein sehr attraktives Umfeld für richtungsweisende Projekte zur IT-gestützten Verzahnung von Mobilitätsträgern. Um im Rennen um das optimale Mobilitätsangebot für die junge städtische Generation vorne dabei zu sein, ist rasches Handeln erforderlich. Zwar werden die Automobilhersteller noch lange Zeit in der Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen ihr Kerngeschäft haben.
Sie müssen zunehmend aber auch Erfahrungen mit dem Betrieb von Fahrzeugflotten in flexiblen Nutzungsmodellen sammeln und insbesondere die Fahrzeuge 3 mit anderen Mobilitätsservices vernetzen. Für den Markterfolg wird dabei der „Ease of Use“ ein entscheidendes Kriterium sein. Wollen Autohersteller auch künftig Mobilitätsanbieter Nummer 1 sein, sollten sie die Kontrolle über die Kundenschnittstelle halten und eine führende Rolle in Partnerschaften übernehmen. „Die Hersteller müssen nicht alle Optionen der Mobilität abdecken“, betont Bentenrieder. „Aber in der multimodalen Welt von morgen gilt es, sich weiterhin mit der attraktiven Option Automobil als der zentrale Ansprechpartner in der Mobilitätskette zu positionieren und damit die Rolle des Autos neu zu erfinden.“
Die Studie
Für die Studie „The Future of Mobility“ befragten Oliver Wyman und die ESB Business School Reutlingen rund 3.000 Personen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Shanghai und Singapur, welche Verkehrsmittel sie heute nutzen und wie sich ihr Mobilitätsverhalten künftig ändern wird. Berücksichtigt wurden dabei unter anderem steigende Kraftstoffpreise sowie verschiedene Anreize und Regulierungen wie Autobahnmaut für Pkw, Zufahrtsbeschränkungen für Städte oder die finanzielle Förderung von Elektroautos. Die Autoren entwickelten zwei Szenarien: Ein moderates, das unter anderem von einem Benzinpreis von 2,50 Euro je Liter bis zum Jahr 2030 und einem besser ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr ausgeht. Das zweite, aggressivere Szenario hin zu nachhaltiger Mobilität unterstellt Kraftstoffkosten von 4 Euro pro Liter sowie weitere Belastungen wie City- und Autobahnmaut.