Über seine Bewerbung für ein Stipendium der Heinrich-Böll-Stiftung berichtet Stefan Klaußner exklusiv auf squeaker.net. Angehenden Stipendiaten gibt er Insider-Tipps für die schriftliche Bewerbung und das Auswahlverfahren.
Einleitung: Heinrich-Böll-Stiftung
Seit April bin ich Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung. Der Ratgeber Der Weg zum Stipendium hatte mich dazu motiviert, eine Bewerbung abzuschicken. Vor allem das Kapitel “Keine Gründe, sich nicht um ein Stipendium zu bewerben” räumte mit meinen Vorurteilen auf und überzeugte mich davon, auch ohne Parteibuch mein Glück als Bewerber zu versuchen. Denn die Heinrich-Böll-Stiftung ist zwar parteipolitisch orientiert, Stipendiaten müssen deshalb jedoch keiner Partei angehören. Es reicht aus, wenn Bewerber sich mit den Werten der Stiftung identifizieren können und gesellschaftspolitisch aktiv sind. Soziales Engagement ist für diese Stiftung ein wichtiges Auswahlkriterium. In den Semesterferien hatte ich ehrenamtlich in der Bahnhofsmission gearbeitet und konnte so mein Engagement belegen. – Schon waren zwei scheinbare Gründe, mich nicht zu bewerben, ausgeräumt.
Bewerbungsanforderungen der Heinrich-Böll-Stiftung
Als ich mich über die Heinrich-Böll-Stiftung informierte, stieß ich auf unerwartete Bewerbungsvoraussetzungen. Die Stiftung will vor allem junge Menschen fördern, die aus nicht-akademischen Familien stammen. Auch Migranten oder andere Minderheiten sind bevorzugte Bewerber der Heinrich-Böll-Stiftung. Bei meiner Bewerbung war ich mir nicht sicher, ob ich mit meinem Studium der Werkstoffwissenschaften überhaupt Erfolg haben könnte. Denn die Internetseite der Stiftung ließ auf einen sehr hohen Anteil geisteswissenschaftlicher Studenten schließen. Die Stiftung möchte diesem etwas einseitigen Stipendiaten-Verhältnis jedoch entgegenwirken und ihr Angebot für Naturwissenschaftler ausbauen. – Wieder ein Grund weniger, mich nicht zu bewerben.
Alle Kriterien, die ein Bewerber erfüllen soll, sind nur grobe Richtlinien. Letztendlich stehen Menschen hinter der Entscheidung, welcher Bewerber in die nächste Auswahlrunde kommt. Ich konnte z. B. nicht nachweisen, dass ich zu den 10 Prozent der besten Studenten meiner Universität gehöre. Allerdings konnte ich dokumentieren, dass ich meinen Notenschnitt vom ersten Semester im zweiten deutlich verbesserte. Diese Leistungssteigerung und mein damit verbundenes Engagement waren wohl auch ein wichtiges Argument für eine Zusage, wie sich später im persönlichen Gespräch mit der Stiftung herausstellte.
Der Weg zum Stipendium
Im Insider-Dossier “Der Weg zum Stipendium” bekommst du Experten-Tipps für die Suche nach dem passenden Stipendienprogramm und für die Bewerbung um ein Stipendium – vom Motivationsschreiben bis zum persönlichen Gespräch. Die Autoren sind ehemalige Stipendiaten der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Die schriftliche Bewerbung
Zu Beginn meiner Bewerbungsphase stand zunächst aber das Formulieren einer schriftlichen Bewerbung. Dieser Prozess zog sich tatsächlich über mehrere Wochen hin. Zunächst musste ich ein Motivationsschreiben verfassen. Gar nicht so einfach, wenn es keine Mustervorlage gibt. Zum Glück hat das Insider-Dossier “Der Weg zum Stipendium” auch zu diesem Teil der Stipendienbewerbung hilfreiche Tipps parat. Die simple, aber wirkungsvolle “You, Me, We-Struktur” vereinfachte das Anfertigen des Schreibens für mich erheblich.
Die Bewerbungsunterlagen
Zu den geforderten Bewerbungsunterlagen gehörten ein Lebenslauf, ein Studienverlauf und ein Gutachten. Ich bat einen Professor um ein Gutachten mit den geforderten Punkten, wurde aber zurückgewiesen. Stattdessen sollte ich das Gutachten selbst schreiben und erhielt als Hilfestellung das Gutachten einer anderen Studentin. Mein Professor fügte anschließend nur noch den Briefkopf der Hochschule ein und unterschrieb. Wie beim Schreiben seines eigenen Zeugnisses hat man so natürlich Einfluss darauf, wie man sich darstellt, sollte aber nicht übertreiben und möglichst konkret formulieren.
Ein Hingucker in der schriftlichen Bewerbung
Nachdem ich alle Unterlagen zusammengestellt hatte, wollte ich meiner Bewerbung noch etwas Besonderes beifügen, damit sie sich von anderen abheben würde. Ich entschied mich, ähnlich wie bei einer Bewerbung um einen Beruf, ein Deckblatt beizulegen. Es enthielt ein Foto von mir im Querformat, weil mir das übliche Hochformat “zu gewöhnlich” erschien. Es handelte sich um eine Schwarz-Weiß-Aufnahme, weil ich gelesen hatte, dass man darauf sympathischer wirkt. Zudem schnitt ich das Bild auf ein etwas breiteres 16:9-Format zu und umrahmte es mit einem dezenten Farbübergang, um es besser auf das Deckblatt zu integrieren. Dazu fügte ich noch ein kurzes Inhaltsverzeichnis zur besseren Übersicht aller eingesandten Unterlagen bei. Als ich das ganze randlos ausgedruckt hatte, war ich selbst verblüfft, dass diese etwas kurios wirkende Bildbearbeitung ein langweiliges Deckblatt so aufwerten konnte.
Das erste persönliche Vorstellungsgespräch
Wenige Tage nach dem Absenden der Bewerbung erhielt ich eine Eingangsbestätigung der Stiftung. Einige Zeit später folgte die erfreuliche Nachricht, dass ich es in die nächste Bewerbungsrunde geschafft hatte. Ich sollte mit einen Vertrauensdozenten persönlich reden. Dem Insider-Dossier entnahm ich die Information, dass dieses persönliche Gespräch locker ablaufen würde, was sich glücklicherweise bestätigte. Wir trafen uns in einem Café zum Gespräch, in dem noch weitere Fragen zu meiner Bewerbung gestellt wurden. Auch der Vertrauensdozent erzählte mir etwas aus seinem Leben, was die Bewerbungssituation zusätzlich auflockerte. Als er mir zum Abschied sagte, dass er seine Empfehlung aussprechen würde, war ich sehr erleichtert.
Nach einigen Wochen kam ein weiterer Brief aus Berlin mit der Einladung zur letzten Auswahlrunde. Ich konnte es kaum fassen. Alle Teilnehmer der letzten Bewerbungsphase wurden auf mehrere Wochenenden in Berlin aufgeteilt. Zu meinem Termin folgten noch etwa 20 andere Studenten der Einladung, die alle sehr nett und aufgeschlossen wirkten.
Der Auswahltag
Begabtenförderung auf squeaker.net
Auf squeaker.net findest du unter Stipendium weitere Insider-Tipps zur Suche nach Förderprogrammen und zur Bewerbung für ein Stipendium. Gezielte Fragen zu Stiftungen und ihren Bewerbungsverfahren kannst du im Forum stellen. Wenn du auch Erfahrungen bei der Stipendienbewerbung gesammelt hast, schreib einen eigenen Bericht.
Gruppendiskussion
Zu Beginn der letzten Auswahlrunde begrüßte die Prüfungskommission uns und teilte anschließend alle Bewerber in zwei Gruppen ein. Hier sollten wir gemeinsam über ein bestimmtes Thema diskutieren. Bei der Diskussion waren vier Mitglieder der Prüfungskommission dabei. Jeder erhielt eine kurze Beschreibung des Themas sowie Stichpunkte zu Vor- und Nachteilen. In der Gruppe haben wir dann viel diskutiert und eine gemeinsame Strategie auf ein Flipchart geschrieben. Ich selbst meldete mich auch öfter zu Wort, aber andere traten während der Diskussion viel häufiger und redegewandter in Erscheinung. Das verunsicherte mich damals, aber heute kann ich sagen, dass es mich offensichtlich nicht das Stipendium gekostet hat. Auch eine andere Stipendiatin sagte, dass sie in der Gruppendiskussion sehr ruhig war und es trotzdem geschafft hat. Es ist also halb so schlimm, wenn man nicht bei jedem Test zu den Besten gehört.
Einzelgespräch mit der Prüfungskommission
Nach der Gruppendiskussion folgte ein Einzelgespräch mit vier Mitgliedern der Prüfungskommission. Das war schon etwas beunruhigend und noch einschüchternder war es, von anderen zu erfahren, dass keine “typischen” Fragen gestellt würden, sondern die Prüfer sich für Persönliches interessierten. Ich sollte z. B. erklären, wie ich es geschafft hatte, meinen Notenschnitt zu verbessern oder wie ich dazu stehe, dass durch erneuerbare Energien die Strompreise steigen. Außerdem sollte ich einen Satz aus meinem Motivationsschreiben näher erläutern. Die Prüfer wollten genauer wissen, warum ich Freude daran habe, andere Menschen für Technik zu begeistern und ein Beispiel dafür von mir hören.
Auch im abschließenden Bewerbungsgespräch hatte ich öfter das Gefühl, meine Antworten seien nicht gut genug für den Erhalt eines Stipendiums. Doch solche Zweifel plagten auch eine Mitbewerberin, die heute ebenfalls Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung ist. Als Bewerber sollte man also nicht allzu selbstkritisch sein, sondern versuchen, ruhig zu bleiben und das Ergebnis jeder Runde auf sich zukommen zu lassen.
Als Stipendiat bei der Heinrich-Böll-Stiftung
Die Stiftung erwartet von den Stipendiaten, dass man pro Jahr an zwei Veranstaltungen teil nimmt und einen Jahresbericht über seine Aktivitäten schreibt. Bis auf diese Verpflichtungen ist man als Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung sehr frei. Ich bin froh, dass mich diese Stiftung fördert, denn Leistung ist hier nicht der ausschlaggebende Punkt – die persönliche Situation eines jeden Bewerbers ist entscheidend.
Stefan Klaußner ist seit April 2011 Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung.