Drei Berater:innen von PwC Deutschland verraten uns, worauf es in der aktuellen Situation im Consulting ankommt – und was sie von Absolvent:innen erwarten.
Simon Fahrenholz ist Partner im Bereich Energy & Utilities bei PwC Deutschland. Außerdem ist er Sustainability Co-Leader und Mitglied des Germany Energy Leadership Teams bei PwC. Er ist spezialisiert auf nachhaltige Unternehmensstrategie, Unternehmensrestrukturierung (inkl. Ausgründung) und –transformation, regulatorische Compliance und Nachhaltigkeit.
Antonia Wollbrecht ist Senior Associate im Deals Bereich bei PwC Deutschland. Sie hat ihren B.Sc. in Wirtschaftswissenschaften an der JGU Mainz erworben. Bei PwC beschäftigt Antonia sich mit Fragen rund um Value Creation für Finance sowie Carve-outs und Post-Merger-Integration.
Esma Yorulmaz ist Senior Associate bei PwC Deutschland im Deals Bereich. Sie hat ihren B. Sc. in Wirtschaftswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität in Gießen erworben. Ihr Fokus bei PwC liegt bei Carve-outs und Post-Merger-Integrationen. In ihrer Freizeit reist sie gerne, um neue Ort zu entdecken oder zu surfen.
Welche drei großen Themen beschäftigen die Beratung gerade?
Simon: Zum einen sicherlich eine geänderte Delivery. Während wir klassisch aus einer Welt der Stundensätze und aufgewendeten Zeiten kommen, spielt immer stärker eine Rolle, künstliche Intelligenz, digitale Assets oder proprietäre Daten in der Projektarbeit einzusetzen. Das verändert die Art der Projekte, die Zusammenarbeit mit den Kunden und auch die Honorarstrukturen.
Des weiteren müssen sich auch die Beratungen – wie alle Unternehmen – dem „war for talent“ stellen; damit einher gehen andere Arbeits(zeit-)modelle, andere Incentivierungen, andere methodische Ansätze usw. Gut qualifizierte Bewerber:innen – die wir zwingend brauchen – sind eben für viele Unternehmen (auch außerhalb der Beratung) sehr interessant und heute ist bei weitem nicht mehr das Gehalt die alles entscheidende Größe.
Ferner spielt auch für Beratungen das Thema ESG/Nachhaltigkeit eine gewichtige Rolle. Auf der einen Seite liegt hier enormes Potenzial für die Berater:innen, aber gleichermaßen wichtig ist, dass auch die Beratungen selbst ihren Teil dazu beitragen, also ein klassisches „walk the talk“. Hier befassen wir uns intensiv mit Fragen rund um Dienstreisen etc.
Geht die Branche deiner Meinung nach gestärkt aus dieser Phase hervor?
Simon: Ich glaube, das lässt sich nicht mit „ja“ oder „nein“ beantworten. Für die Art und Weise, wie wir arbeiten, sicher „ja“ – neue und spannende Tools haben den Härtetest bestanden, flexibles Arbeiten ist fest in den Köpfen verankert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist sicher gestärkt. Wir hatten alle Videokonferenzen, wo plötzlich die Kinder, Haustiere oder Verwandten „reingeplatzt“ sind. Wir sind als Branche noch digitaler und innovativer durch die Pandemie geworden. Tolle Projekte sind aber auch die, wo die:der Berater:in gemeinsam mit dem Kunden eine Zukunft gestaltet und bei einigen Branchen mache ich mir große Sorgen, wann und wie diese sich von der Krise erholen werden. Auf absehbare Zeit werden investive Mittel zum Teil auch fehlen und damit die Fähigkeit von Unternehmen, in ihre Zukunft zu investieren.
Macht sich das auch in den Arbeitsweisen in der Beratung bemerkbar?
Simon: Daran anknüpfend sind Projekte heute viel kooperativer, viel mehr gemeinsam mit dem Kunden, viel kreativer – wer sich heute durchsetzen will, muss nicht mehr der Schnellste im Abarbeiten sein, sondern die beste Lösung (gemeinsam mit dem Kunden) entwickeln.
Wie wirkt sich das auf die Inhalte der Projekte aus?
Simon: Projekte werden natürlich immer digitaler, erst recht wegen Corona, aber auch schon zuvor. Daneben ist es viel üblicher als früher, Projekte auch gemeinsam mit kleinen, hochspezialisierten Beratungshäusern durchzuführen, die beispielsweise über eine Technologie verfügen, welche perfekt zum konkreten Projekt passt. Dadurch verändern sich auch die Charaktere in den Projekten, Teams werden diverser und damit ist das eine gute Entwicklung!
Was hat sich in der Beratung durch die Corona-Pandemie verändert?
Simon: Vor allem hat sich natürlich die Art und Weise geändert, wie wir mit unseren Kunden zusammenarbeiten: kommend von einer typischen Woche mit vier Tagen vor Ort beim Kunden mussten Projekte, aber auch Angebotspräsentationen von heute auf morgen komplett virtuell durchgeführt werden. Aus meiner Sicht hat dies zwei wichtige Facetten. Auf der einen Seite fehlt natürlich ein Stück weit die zwischenmenschliche Interaktion mit dem Kunden, die berühmten „Zwischentöne“, der „Small Talk“. Zudem war und ist es für junge Kolleg:innen auch spannend zu reisen. Für die Work-Life-Balance ist es auf der anderen Seite aber sicher auch gut und gesund, nicht mehr die ganze Woche unterwegs zu sein, ganz abgesehen von den positiven Umwelteffekten durch den Wegfall der Reisen. In der Zukunft wird sich hier sicher eine gesunde Mitte bilden – wir werden wieder reisen, aber eben nicht mehr so viel wie früher, das kommt in der Intensität nicht mehr zurück und ist am Ende für Mensch und Umwelt auch gut so.
Was erlebst du gerade als zentrale Herausforderung der Kunden?
Simon: Ich glaube, viele Unternehmen sind mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen konfrontiert. An erster Stelle müssen natürlich auch weiterhin die Folgen der Pandemie gemanaged werden, verbunden mit einer gewissen Unsicherheit, was die kommenden Monate noch bringen werden. Gleichwohl ist das Thema ESG / Nachhaltigkeit aber absolut zentral für Kunden aus ganz unterschiedlichen Branchen. Wir sehen derzeit an ganz unterschiedlichen Enden des Planeten ja die Folgen des Klimawandels und damit verbunden große Herausforderungen in den Lieferketten, den Märkten, den Standorten usw. Auch die Möglichkeiten und Notwendigkeiten im Zusammenhang mit der Digitalisierung sind sicher noch nicht ausgeschöpft. Und zu guter Letzt verschieben sich in ganz vielen Branchen die Marktgewichte, neue und innovative Player drängen hervor, bestehende Geschäftsmodelle müssen neugedacht werden.
Wie können Berater:innen diesen Herausforderungen begegnen – was wird jetzt gebraucht?
Simon: Das, was Berater:innen immer gebraucht haben und immer brauchen werden: Kreativität, Innovationskraft, Spirit und den Wunsch, das Beste für den Kunden im Team zu erreichen. Dazu gehört auch, dass auch in der Beratung neue und zusätzliche Fähigkeiten benötigt werden – eben weiterhin den klassischen Absolvent:innen der BWL, aber auch Ecosystem-Spezialist:innen, Gründer:innenmentalität, digitale Vordenker:innen usw.
Welche drei Tipps hast du für Absolvent:innen, die 2021 in die Beratung einsteigen wollen?
Simon: Erstens: Nicht zu früh festlegen: die Vielseitigkeit von Projekten ausnutzen, unterschiedliche Methoden, Inhalte, Teams und Branchen kennenlernen – das Berufsleben ist lang genug und gerade in der Vielseitigkeit liegt das Spannende in der Beratung.
Zweitens: Nicht in alten Strukturen denken: in Zeiten des rasanten Wandels, eines Planeten unter Druck und der Unplanbarkeit als einzig echter Konstante braucht es neue, frische Ideen. Wir leben nicht mehr in einer Welt, wo man einfach alles macht, was die:der Partner:in sagt. Es geht darum, alle Fähigkeiten und Ideen im Projektteam einzusammeln, zu hören, wertzuschätzen und am Ende die beste Lösung zu finden – und die kann eben auch von einem Berufseinsteiger kommen!
Drittens: Nicht zu viel wollen: wir übersehen keine Talente und gute Leistungen reflektieren sich in der Beratung immer in guten Karrieren. Der Job ist trotzdem fordernd und stressig und häufig sind
diejenigen mittelfristig erfolgreicher, die nach einem intensiven Projekt auch einmal durchatmen, in sich hineinhören, das Hobby mal wieder etwas intensiver ausleben etc.
Welche drei großen Themen beschäftigen die Beratung gerade?
Antonia & Esma: Wir bei PwC in der Transaktionsberatung sehen, dass der Markt geprägt ist von volatilen, unsicheren, sowie komplexen und gleichzeitig unklaren („VUCA“) Faktoren. Marktteilnehmer reagieren auf dieses Umfeld durch strategische Transaktionen, z.B. Carve-outs und Spin-offs. Zudem fokussieren viele Organisationen sich auf kostensparenden Maßnahmen, bspw. durch Prozessauslagerungen in Shared Service Center. Zuletzt erleben wir nach wie vor die Digitalisierung als Herausforderung für viele Unternehmen.
Wie wirkt sich das auf die Inhalte der Projekte aus?
Antonia & Esma: Im Transaktionsumfeld schauen wir immer intensiver auf wertsteigernde Maßnahmen („Value Creation“) entlang der Supply Chain und der Gruppenfunktionen, z.B. durch Prozessoptimierung und -auslagerung oder Working Capital Management. Doch auch die Werterhaltung („Value Preservation“) ist von zunehmender Bedeutung für Unternehmen, wie z.B. durch die strategische Bündelung von Kompetenzen und Risikostreuung durch Joint Ventures, aber auch durch die Etablierung von ESG-Maßnahmen.
Macht sich das auch in den Arbeitsweisen in der Beratung bemerkbar?
Antonia & Esma: Es haben sich für uns flexiblere Arbeitsmodelle ergeben, die langfristig bspw. weniger Geschäftsreisen vorsehen und somit das Thema „Work-Life-Balance“ neu bestimmen. Gleichzeitig sehen wir bei PwC, dass die potenziellen Hemmnisse einer internationalen oder Team-übergreifenden Zusammenarbeit durch virtuelle Räume einfach überwunden werden können und neue Möglichkeiten eröffnen.
Ändern sich dadurch die Anforderungen an Bewerber:innen?
Antonia & Esma: Wenn wir an die Bedürfnisse unserer Kunden denken, wird die:der Berater:in „von morgen“ nicht mehr nur die:der klassische BWLer:in sein. In unserem Team finden sich unter anderem Ingenieur:innen, Maschinenbauer:innen oder Chemiker:innen, um den Problemstellungen unserer Kunden bestmöglich begegnen zu können. Zudem werden mit den Anforderungen unserer Kunden an digitale Lösungen auch unsere „Digital Capabilities“ gefordert, sodass ein gewisses Grundverständnis an toolbasierten, digitalen Modellen von Vorteil ist.
Was hat sich in der Beratung durch die Corona-Pandemie verändert?
Antonia & Esma: Wenn wir an den Übergang in den Lockdown und damit in die Remote-Welt des Arbeitens zurückdenken, ging das bei uns ziemlich reibungslos. Wir haben sogar gemerkt: Man kann große, internationale Deals auch remote erfolgreich durchführen!
In unserer Branche ist es üblich, auch räumlich nah am Kunden zu arbeiten – wo Reisen und gemeinsame Meetings vor Ort weggefallen sind, haben sich virtuelle Räume geöffnet und neue Tools zur
Zusammenarbeit etabliert, z.B. MURAL oder Teams.
Geht die Branche eurer Meinung nach gestärkt aus dieser Phase hervor?
Antonia & Esma: Da Unternehmen auf die Geschehnisse auf dem Markt, wie oben beschrieben, durch Um- und Restrukturierung reagieren, spüren wir das natürlich in der Transaktionsberatung. Private Equity Unternehmen investieren aktuell viel, Unternehmen in der Industrie restrukturieren und generell scheint es, als sei Mut zur Investition und Veränderung da. Daraus resultieren zahlreiche Projekte für die Branche.
Unternehmen müssen sich schneller und umfassender transformieren, um weiterhin für den Kapitalmarkt, Talente und Kunden attraktiv zu sein.
Was erlebt ihr gerade als zentrale Herausforderung der Kunden?
Antonia & Esma: Aktuell werden Unternehmen mit einer Vielzahl von Veränderungen am Markt konfrontiert, der auch den Druck der Stake- und Shareholder erhöht. Das reicht von Digitalisierungsfragen über neue regulatorische Anforderungen bis hin zu ESG-Zielen, wie bspw. „NetZero“. Auf all diese Fragen eine schnelle Lösung parat zu haben, während man mit der Stabilisierung oder Weiterentwicklung des Geschäfts beschäftigt ist, kann herausfordernd sein.
Wie können Berater:innen diesen Herausforderungen begegnen – was wird jetzt gebraucht?
Antonia & Esma: Unternehmen müssen sich schneller und umfassender transformieren, um weiterhin für den Kapitalmarkt, Talente und Kunden attraktiv zu sein. Darum unterstützen wir unsere Kunden bei ihrer Transformation mit einem ganzheitlichen Ansatz und durch team-übergreifende Zusammenarbeit dabei, Veränderung als lösbare Herausforderung wahrzunehmen und dabei nachhaltige Ergebnisse zu erwirtschaften. Wir bilden deshalb von der Due Diligence bis hin zur Realisierung von Synergiepotentialen alles ab.