Bei jungen Consultants ist die Work-Life-Balance im Wandel. In der Arbeitswelt von morgen finden Berater die Balance vielmehr im Work-Life-Blending. Und die Consultingbranche passt sich mit New Work oder Agilem Arbeiten sowie Sabbaticals & Leaves an.
Was die neue Beratergeneration heute will? Eine super Unternehmenskultur, gute Zusammenarbeit mit Kollegen und attraktive Karrierechancen. Diese Kriterien zur Arbeitgeberwahl im Consulting sind angesagt, das zeigt die aktuelle Consulting-Excellence-Studie von squeaker.net. Faktoren wie Einstiegsgehalt, Reputation und Work-Life-Balance sind weniger wichtig bei der Arbeitgeberwahl geworden. Work-Life-Blend heißt das Keyword, das die high-paced Consultingwelt erfasst.
New Work, New Life, New Balance
Viele Einsteiger in den Beratermarkt zählen zur Generation Y. Und da sind die Gründe für einen Einstieg in die Beratung klar. Die junge Beratergeneration legt unmissverständlich Wert auf spannende Aufgaben, hinter denen sie den Sinn versteht. Sie möchte aus intrinsischer Motivation handeln, autonom und mit einem Maximum an Flexibilität. Lange Tage durchhalten, damit irgendwann eine Partnerposition in Aussicht steht? Das reicht häufig nicht mehr – die ehemaligen Arbeitszeit-Klischees weichen einer gelebten Unternehmenskultur, die das Privat- und Berufsleben klug verbindet, zum Beispiel durch Mobile-Office-Modelle.
Me-Time für Consultants
Dass Consulting ein klassischer nine-to-five Job wird – diese Vorstellung bleibt weiterhin unrealistisch. Aber viele Beratungen setzen auf Möglichkeiten zu Auszeiten, Selbstverwirklichung und persönlicher Weiterentwicklung. Ein Weg dafür sind Sabbaticals oder Leaves of Absence, in denen sich Consultants aus dem Berateralltag zurückziehen und anderen Projekten widmen.
Strategy& setzt dafür auf das „Sponsorship“-Programm: Top-Performer werden für bis zu zwei Jahre freigestellt und in dieser Zeit für einen PhD oder einen MBA finanziell gefördert. Maik Hesse befindet sich gerade in einer solchen Auszeit. „Ich nutze die Zeit für zwei Dinge“, sagt er. „Zum einen für meine Doktorarbeit über digitale Plattformen und zum anderen, um mich in meiner Wahlheimat – dem Start-up-Mekka Berlin – im Bereich Digitalisierung zu vernetzen.“
Er sieht vielfältige Vorteile in dieser Art der Auszeit: „Man wächst persönlich, lernt viel Neues kennen und kann sich – im Rahmen der Promotion – noch einmal vertiefendes Expertenwissen aufbauen. Außerdem kommt man für eine Zeit aus dem Berater-Stakkato heraus und hat so die Möglichkeit, abseits des Consultings spannende Erfahrung für die zukünftige Karriere zu sammeln.“ Eine Win-Win-Situation für Consultants und Arbeitgeber.
Work-Life-Balance im Wandel
Der Wunsch nach klassischer Work-Life-Balance hat an Bedeutung verloren: In der Consulting-Excellence-Studie von squeaker.net landet er bei den wichtigsten Kriterien der Arbeitgeberwahl im Consulting nur auf dem neunten Rang. Stattdessen geht es immer mehr um die Work-Life-Blend – das erlebt auch Maik Hesse. Denn in der Auszeit vom Berateralltag steht weiterhin die Karriere im Fokus: „Der Leave ist Teil der individuellen Karrieregestaltung und erfordert als solcher ebenfalls viel Planung, Selbstdisziplin und das Setzen der richtigen Schwerpunkte – allerdings ohne Deadlines im 24-Stunden-Takt.“
Für die Gestaltung eines Sabbaticals gibt es viele Möglichkeiten: „Man sollte sich genau überlegen, wie man die Zeit nutzen will und was man erreichen möchte“, sagt Maik Hesse. „Dann spricht allerdings nichts dagegen, eine Auszeit zu nehmen, sei es für die Weiterbildung im Rahmen von Doktorarbeit oder MBA oder für sechs Monate Weltreise inklusive Besteigung des Kilimanjaro und Surf-Camp auf Hawaii.“ Es zählt, was in die persönliche Karriere- und Lebensplanung passt.
Agiles Arbeiten ist gefragt
Flexible Arbeitsweisen gehören in der New-Work-Welt zum Berater-Alltag dazu. Simon-Kucher setzt sie vor allem bei der Beratung von modernen Erfolgsunternehmen wie Uber oder Airbnb ein. Obwohl der Kern der Consultingarbeit ähnlich bleibe, werde dieser in anderer Form umgesetzt. „Die Arbeit wird in Sprints statt in langen Projekten erledigt, außerdem müssen wir agiler sein, wenn wir an Probleme herangehen“, sagt Madhavan Ramanujam, Partner und Board Member bei Simon-Kucher. Bei Uber war das Beratungsunternehmen am Launch des Loyalty-Programms „Uber Rewards“ beteiligt. Gemeinsam mit Uber hat Simon-Kucher zunächst herausgefunden, welche Belohnungen bei den Kunden gut ankommen, im Anschluss ein Punktesystem entworfen und den Launch begleitet. Jetzt ist das Programm in allen US-Bundesstaaten verfügbar.
Digitale Cases in der Praxis
Auch der Begriff Blockchain zählt zu den absoluten Keywords der New-Work-Welt. Dabei geht es um den Einsatz digitaler Technologien für neue Geschäftsmodelle oder Prozesseffizienzen. Ein Beispiel dafür von Roland Berger: Die Untersuchung von Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologien im Bereich der Triebwerkswartung bei Lufthansa Technik. „Die dahinterliegende Technologie ist bereits ein Jahrzehnt alt, doch jetzt steht sie möglicherweise für die Anwendung in vielen Branchen vor dem Durchbruch”, sagt Dr. Holger Lipowsky, Partner bei Roland Berger im Bereich Aerospace. Gerade bei der Luftfahrtbranche, die schon immer eine technologische Vorreiterrolle annahm, geht es ohne digitale und neu gedachte Lösungen nicht. „Blockchain-Anwendungen sind in vielen Bereichen denkbar, zum Beispiel bei der Überwachung von Triebwerken im Betrieb, der Organisation von Lieferketten oder operativen Prozessen in der Fertigung oder der Verwaltung“, sagt Lipowsky. Er ist sicher: „Die Zukunft ist digital!” Und Beratungen stellen sich jetzt voll darauf ein.
Welche Skills wichtig sind
Die Beispiele zeigen: Hier sind Berater mit digitalem Mindset gefragt, vor allem MINT-Absolventen sind die Gamechanger. Doch Einsteiger sollten noch mehr Skills mitbringen, um in der neuen Consultingwelt erfolgreich durchzustarten: „Flexibilität, Schnelligkeit und ein gutes Reaktionsvermögen sind ganz wichtige Eigenschaften, ohne die man nicht mithalten kann“, sagt Pia Potrikus, IT-Consultant bei Senacor. „Man muss bereit sein, einen Schritt zurückzugehen, zu hinterfragen und die Laufrichtung auch mal zu ändern.“ Trotz aller Digitalisierung und Automatisierung: Consulting bleibt ein People Business: „Zwischenmenschliche Kommunikation und Vertrauen sind der Schlüssel für ein erfolgreiche Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister“, sagt Pia Potrikus von Senacor. „Wenn dein Kunde glücklich ist, bist du es auch.“
Digitale Tools
New Work verändert auch den Arbeitsalltag von Beratern: Die Zusammenarbeit wird durch Sharing-Dienste optimiert, wodurch viele Arbeitsschritte schneller, effizienter und flexibler werden. Teams kommunizieren digital und meistens von verschiedenen Orten aus: Berater halten per Videokonferenz problemlos Rücksprache mit ihrem Projektleiter, der gerade im Mobile-Office ist, während andere ihr Brainstorming auf die sonnige Terrasse verlagert haben. Teilweise läuft die Kommunikation direkt über integrierte Messenger Services wie Google Hangout, Slack oder WhatsApp. „Das Consulting ist letztlich Output-getrieben und es ist somit egal, wo und wie die Ergebnisse entstehen, sofern der Einsatz beim Kunden vor Ort nicht zwingend erforderlich ist. Wichtig ist, dass die Deliverables von hoher Qualität sind. Als Berater ist man dabei auch so eine Art Entrepreneur im eigenen Unternehmen, da kann und sollte man sich die Tools, Arbeits- und Denkweisen der Digitalisierung zunutze machen“, sagt Maik Hesse.
New Work, New Spaces
Auch die Arbeitsorte können in der neuen Arbeitswelt völlig neu gestaltet sein: So hat PwC in Frankfurt ein Experience Center eröffnet, in dem multidisziplinäre Teams gemeinsam digitale Lösungen erschaffen. Die Devise: Um Innovationen zu kreieren, braucht es ein innovatives Umfeld – zum Beispiel mit Einsatz von Virtual Reality, Eye Tracking oder 3D-Druck. Statt klassischen Büromöbeln gibt es bunte Sitzsäcke, Bänke aus Paletten oder Post-it-Walls. Hier kommen nicht nur Berater zusammen: Auch Kunden und Kooperationspartner werden ins Experience Center eingeladen, um zusammen mit den PwC-Spezialisten digitale Ideen zu entwickeln und zu bewerten.
Zukunft der Beratung
Berater könnten in Zukunft Seite an Seite mit Robotern arbeiten. Künstliche Intelligenz soll Analysen automatisieren, Algorithmen könnten vorhersagen, wie sich Verzögerungen in einzelnen Abschnitten auf das gesamte Projektergebnis auswirken – und frühzeitig eine Warnung abgeben, falls der fristgerechte Erfolg in Gefahr ist. Steuert Kollege KI also die Berater-Welt von morgen? „Das wird mit Sicherheit zunehmend Einfluss auf die Arbeit der Berater haben“, glaubt Maik Hesse. „Insbesondere, wenn es um quantitative und analytische Aufgaben geht, wo Algorithmen vermutlich in der Lage sein werden bessere und akkuratere Cases und Vorhersagen zu liefern. Hier wird vermutlich „Asset-based Consulting“ zukünftig an Bedeutung gewinnen. Dabei hinterlassen Beratungshäuser zum Beispiel Methoden, Software oder Technologien beim Kunden, die auch nach Weggang des Beraters lizensiert und verwendet werden können. Letztlich ist Consulting aber ein “People Business” und ich kann mir kaum vorstellen, dass Beratungen zukünftig Robo-Consultants anstelle eines Beraters als Trusted Advisor zum Kunden schicken.“
Noch können Beratungsunternehmen Vorreiter sein, wenn es um neue Arbeitsmodelle und den Einsatz digitaler Tools und Methoden geht – und das sollten sie auch. Schließlich gibt es viele Unternehmen, die als Kunden Beratungsbedarf zum Megatrend New Work und der Digitalen Transformation haben. Wer als Consultant die neuen Modelle selbst im Alltag lebt und gleichzeitig die nötigen digitalen Skills mitbringt, hat die wichtigsten Tools für eine erfolgreiche und glückliche Berater-Karriere dabei. Und der Rest kommt dann im „Work-Life-Blending“.